Neue Zemente

BCT-Technologie - ein alternatives Binderkonzept

Die Zementindustrie verursacht ca. 5 Prozent der weltweiten anthropogenen CO₂-Emissionen. Bei der Herstellung von einer Tonne Zementklinker entsteht durchschnittlich rund 800 kg CO₂. Davon entfallen rund 40 Prozent auf den energieintensiven Brennvorgang; 60 Prozent entstehen rohstoffbedingt bei der Entsäuerung des Kalksteins. HeidelbergCement hat, unter anderem durch Verwendung von Sekundärbrennstoffen wie Reifen, Tiermehl oder Klärschlamm, die spe-zifischen CO₂-Emissionen auf 0,621 Tonnen CO₂ pro Tonne Zement gesenkt. Eine weitere Reduzierung durch prozesstechnische Maßnahmen sowie den Einsatz von Sekundärbrennstoffen ist nur noch sehr begrenzt möglich.

Um die CO₂-Bilanz von Produkten auf Basis von Portlandzement dennoch weiter zu verbessern, können sogenannte Zumahlstoffe eingesetzt werden. Das sind alternative Stoffe, die als Nebenprodukte bei der Herstellung von Stahl oder in Kohlekraftwerken anfallen und als Ausgangsstoffe für Kompositzemente dienen. Portlandzementklinker wird dabei teilweise z.B. durch Hüttensandmehl, Flugasche oder Silikastaub ersetzt, wobei der gezielte Einsatz dieser Zumahlstoffe die Eigenschaften des Zementproduktes häufig sogar verbessert. Dies ist jedoch nur bis zu einem gewissen Umfang aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Einsatzstoffe möglich.

Einen Schritt weiter geht das HeidelbergCement Technology Center (HTC): Um weitere Potenziale zur CO₂-Reduktion zu erschließen, arbeitet das HTC schon seit einigen Jahren an der Entwicklung alternativer Bindemittel, die mehr oder weniger ohne konventionellen Klinker auskommen. Hierfür wurde seit Anfang 2010 das Forschungscenter des HTC Global in Leimen personell erweitert mit dem Ziel, verschiedene Konzepte zum Thema alternative Klinker zu entwickeln. Vorausgegangen war eine interne Studie aus dem Jahr 2009, bei der bereits alle seinerzeit bekannten Konzepte systematisch ana-lysiert wurden.

In dieser Bewertung war eines der erfolgversprechenden Konzepte der Calcium-Sulfoaluminat-Belit-Binder (CSAB). Calcium-Sulfo-Aluminat (CSA)-Zemente werden seit langer Zeit überwiegend in China für die Bauchemie produziert. Sie finden vor allem Verwendung in Estrichen, Fliesenklebern und Spezialprodukten. Charakteristisch ist, dass sie sehr schnell Ettringit bilden und daher eine sehr hohe Frühfestigkeit aufweisen. Es gab auch bereits Experimente, mit dem Ziel, diese Zemente in der konstruktiven Anwendung einzusetzen, aber ihre Dauerhaftigkeit reichte dafür bisher nicht aus. Dennoch sieht Dr. Wolfgang Dienemann, Director Global Research & Development HTC, hier einen lohnenswerten Ansatz: „Wenn wir die CSA-Zemente mit ihrer hohen Frühfestigkeit mit Belit (Dicalciumsilikat) - der langsam reagierenden Klinkerphase klassischer Portlandzemente - kombinieren, lassen sich möglicherweise die Vorteile beider Systeme in einem Zement vereinigen. Die Ettringitbildung ist dabei für die Anfangsfestigkeit verantwortlich, während die Belithydratation – wie im Portlandzement – zu Calcium-Silikat-Hydraten führt, die ein dauerhaftes Gefüge bilden. Diese Kombination schien uns so erfolgversprechend, dass wir weiter daran gearbeitet haben.“

Im Jahr 2010 begannen sich die Forscher des HTC mit der Zementchemie des CSAB unter verschiedenen Prozessbedingungen zu beschäftigen. Dienemann: „Dabei haben wir uns erstmals intensiver die Klinkerphase Ternesit angeschaut, die bisher als nicht reaktiv galt. Mit reinem Wasser reagiert diese Phase nicht, aber wenn Aluminium in der Porenlösung vorhanden ist, folgt unmittelbar eine chemische Reaktion und es entsteht ein festes Gefüge.“ Nach den ersten erfolgreichen Brennversuchen im Labor hat das HTC im Spätsommer 2012 zwei Patente zur Herstellung von ternesithaltigem Klinker (Belit Calciumsulfoaluminat Ternesit - BCT) und vier Patente zur Anwendung von ternesithaltigem Klinker in verschiedenen Bindemittelsystemen (= Zementsorten) angemeldet.

Die Vorteile des ternesithaltigen Klinkers liegen auf der Hand: Das neue Produkt verursacht aufgrund der chemischen Zusammensetzung und der Herstellung bei einer niedrigeren Temperatur bis zu 30 Prozent weniger CO₂ im Vergleich zum normalem Portlandzementklinker. Hinzu kommt eine Verbesserung der Energieeffizienz, weil durch die 150 bis 200°C niedrigere Brenntemperatur rund 10 Prozent weniger Brennstoffe eingesetzt werden müssen. Und auch die Stromkosten im Herstellprozess sinken um rund 15 Prozent, denn vor allem beim Mahlprozess wird weniger Energie benötigt.

Dr. Wolfgang Dienemann beschreibt die nächsten Schritte im HTC so: „Da die Zugabe von hochwertigen Aluminiumträgern wie beispielsweise Bauxit sehr teuer ist, experimentieren wir derzeit in Versuchen alternativ auch mit der Zugabe von aluminiumhaltigen Abfallstoffen, wie beispielsweise Braunkohleflugasche und anderen Schlacken. Zusätzlich wäre auch der Einsatz von weiteren industriellen Nebenprodukten, wie z.B. REA-Gips, denkbar.“

Noch in diesem Jahr ist der erste industrielle Großversuch in einem der deutschen HeidelbergCement-Werke geplant, wo die neuen Produkte erstmals mit der vorhandenen Anlagentechnik hergestellt werden sollen.

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